Ludwig Tieck                         Weihung

1773 – 1853

Dies soll den Schwestern meine Grüße schicken,

Die in Gesang des Herzens Blum’ entbunden,

Die mir in Nacht schon war hinweggeschwunden,

Nun fühl’ ich wiederum ihr goldnes Blicken.

 

Dich hör’ ich Töne so wie Blumen pflücken,

O Hulda, und es muß das Herz gesunden,

Mit Glaub’ und Kraft’ ist Una fest verbunden,

Und Clara blickt und spricht und singt Entzücken.

 

Mir haben Glaub’, Entzücken beigestanden,

Holdseligkeit mit ihrer stillen Güte,

Stets will ich mich in dies Erinnern senken:

 

Nehmt, wie unwürdig auch, von meinen Händen,

Was ich der Mild’, die gern verzeihet, biete,

Dies schwache Lied zu meinem Angedenken.

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Die Musik spricht

1773 – 1853

I.

 

Im Anfang war das Wort. Die ew’gen Tiefen

Entzündeten sich brünstig im Verlangen,

Die Liebe nahm das Wort in Lust gefangen,

Aufschlugen hell die Augen, welche schliefen,

 

Sehnsücht’ge Angst, das Freudezittern, riefen

Die sel’gen Tränen auf die heilgen Wangen,

Daß alle Kräfte wollustreich erklangen,

Begierig, in sich selbst sich zu vertiefen.

 

Da brachen sich die Leiden an den Freuden,

Die Wonne suchte sich im stillen Innern,

Das Wort empfand die Engel, welche schufen;

 

Sie gingen aus, entzückend war ihr Scheiden.

Auf, Gottes Bildnis, des dich zu erinnern

Vernimm, wie meine heil’gen Töne rufen.

 

 

II.

 

Nacht, Furcht, Tod, Stummheit, Qual war eingebrochen,

Ihr Banner wehte auf besiegten Reichen,

Erschrocken flohen vor dem gift’gen Zeichen

Mit stummer Zunge, welche erst gesprochen.

 

So ist denn ganz das Liebeswort zerbrochen?

Es sucht im Wasserfall, will sich erreichen,

Aus Bäumen strebt es, Quellen, grünen Sträuchen,

In Wogen klagt es: was hab ich verbrochen?

 

Die Wasser gehn und finden keine Zungen,

Dem Wald, dem Fels ist wohl der Laut gebunden,

Die Angst entzündet sich im Tiere schreiend.

 

In Menschenstimme ist es ihm gelungen,

Nun hat das ew’ge Wort sich wieder funden,

Klagt, betet, weint, jauchzt laut sich selbst befreiend.

 

 

III.

 

Ich bin ein Engel, Menschenkind, das wisse,

Mein Flügelpaar klingt in dem Morgenlichte,

Den grünen Wald erfreut mein Angesichte,

Das Nachtigallen-Chor gibt seine Grüße.

 

Wem ich der Sterblichen die Lippen küsse,

Dem tönt die Welt ein göttliches Gedichte,

Wald, Wasser, Feld und Luft spricht ihm Geschichte,

Im Herzen rinnen Paradieses-Flüsse.

 

Die ew’ge Lieb’, die frei und nie gefangen,

Erscheint ihm im Triumph auf allen Wogen,

Er nimmt den Tönen ihre dunkle Hülle,

 

Da regt sich, schlägt in Jubel auf die Stille,

Zur spiel’nden Glorie wird der Himmelsbogen,

Der Trunkne hört, was alle Engel sangen.

 

 

 

Ludwig Tieck                         Pergolese

1773 – 1853

Ein Jüngling wandelt durch die Waldesgrüne,

Einsam, verlassen, seufzend und in Tränen;

Was will sein Händeringen doch ersehnen?

Was sagt die trübe, liebe Leidensmiene?

 

Bald ist’s, als ob ein Engel ihm erschiene,

So spricht mit Vögeln, mit der Luft im Wähnen,

In Zweigen neigen Arme sich zur Sühne.

 

Da lächelt er in Andacht und in Liebe,

Die Sonne scheint auf ihn mit roten Lichtern,

In Glorien wallt der Tag und küßt ihn scheidend.

 

Ach, daß der goldne Glanz zugegen bliebe!

Die Nacht steigt auf mit Wolkenangesichtern,

Das Dunkel faßt ihn und er spricht süß leidend:

 

 

Erquicklich war und nicht umsonst mein Wallen,

Maria, Mutter, Sohn und ewge Liebe,

Ich kann in Tönen sagen, wie ich liebe,

In schönen Weisen soll mein Preisen schallen.

 

Bist, Jesus, du vergessen denn von allen?

Mein Herz, mein Schmerz treibt mich zu deiner Liebe,

Die Mutter, Sohn, weiß wohl, wie ich dich liebe,

Laß dir gefallen denn mein kindlich Lallen.

 

O sende du aus deinem lichten Himmel

Die kindlichsten der Englein zu mir nieder,

Mein Herz ist offen, tu es, Gott, mein Vater!

 

Wir zünden an das rauschende Getümmel,

Ich sterbe gern am Schluß der süßen Lieder,

Denn viel’ entzückt nach mir mein Stabat mater

 

 

 

Ludwig Tieck                         Die Musik beschließt

1773 – 1853

In inn’ger Lieb’ war ich mit diesem Kinde,

Und ihm gelang, in süßen Himmels-Weisen

Die Mutter Gottes wunderhold zu preisen,

Und aller Herzen rührt sein Geist gelinde.

 

Da lösten sie in Wehmut ihre Sünde,

Es beteten die Toren wie die Weisen,

Der Engel fuhr herab in Tränen, leisen

Flügelgetöns, daß er ihr Heil verkünde.

 

Da fiel den Bösen Zagen an und Beben,

Er sprach: der süße Pfeil hat all’ getroffen,

Mein Reich versinkt, den Menschen nur zum Spotte!

 

Er stürmt ihn an, des Jünglings Herz war offen

In Andacht, reißt die Blätter ab vom Leben,

Und aus dem Kelch entblüht der Geist zu Gotte.

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Palestrina Marcello Pergolese

1773 – 1853

 

Una        Wer glaubend immer stirbt im stillen Leben,

               Der hat die höchste Krone sich errungen.

Clara       Der wird von Angst und Zweifeln nie bezwungen,

Ewig Entzücken ist ihm mitgegeben.

 

Hulda     Er wird nur nach dem höchsten Gute streben,

Und wie ihn Mißlaut, Furcht und Zweifel drungen,

In süßester Musik er selbst erklungen

Zur Höhe scheidend, in Wohllaut verbeben.

 

Una        So fasse Geist die hohen Melodien.

Clara       Zerschmilz, o Herz, und laß die Tränen fließen.

Hulda     Dann läutert Sehnsucht, Schmerz sich durch die Töne.

 

Una        Schon fühl’ ich Glauben, Lieb’ in Eins erglühen.

Clara       Ihr Wunden, sollt mir alle Freuden büßen.

Hulda     So blüht empor das schönste ew’ge Schöne.

 

 

 

Ludwig Tieck                         Gesang

1773 – 1853

Wann du erhebst den lichten Ton zum Singen,

Una den tiefen goldnen Klang drein gießet,

Von Clara’s Zaubermund ein Feuer fließet,

Seh ich die Himmelsgeister lieblich ringen.

 

Bald wollen die Gespielen dich bezwingen,

Von deiner Süße wird ihr Zorn versüßet,

Doch wie der lichte Ton wie Morgen grüßet,

Muß ihn das klingende Meer in Wellen schlingen.

 

Bald schwimmt er oben wieder wie die Blume,

Die Wogen kämpfen, und er wird ein Strahlen,

Er zuckt wie Liebesblitze in den Wellen,

 

Krystalle leuchten freundlich, in den hellen

Spiegeln muß sich dein herrlich Bildnis malen,

Maria steht gekrönt im Heiligtume.

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Garten

1773 – 1853

Betret’ ich nun des Gartens grüne Gänge?

Wie frisch und lieblich dort die tiefen Gründe!

Die Einsamkeit holdselig und gelinde,

Wie Chorgesang rauscht hier das Baumgedränge.

 

Was find’ ich an dem blühenden Gehänge?

Wie! Tränen an so manchem bunten Kinde?

Was seufzen denn so bang die Abendwinde?

Wo tönen her so zauberhaft Gesänge?

 

Sind wohl so spät in Wand’rung noch die Bienen?

Schlummern hier Lieder aufgeweckt von Sternen?

Des Waldes Geister, in der Bäume Kronen? –

 

Gesangs-Göttinnen, die den Hain bewohnen,

Sind jetzt, herdenkend, weit in andern Fernen,

Drum klagt so Wind, wie Staud’, und Baum im Grünen.

 

 

Echo

               Tal, Wald muß ihnen dienen,

Sie sind Gesang, und welchen Baum sie denken,

Der muß süßklingend seine Zweige senken.

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Aus: “Zur Magelone

1773 – 1853

 

Die Sonne

 

Ich will zu meinem hohen Thron aufsteigen:

Morgenrot, Diener, leg’ die güldnen Decken,

Zum Fußtritt durch die lichtazurnen Strecken,

Ruf durch den weiten Raum ein heil’ges Schweigen:

 

Schön will ich mich den Untertanen zeigen,

Wald, Berg, Tal, Fluß mit meinem Glanz bedecken,

Das Luftgefieder schnell zum Gruß erwecken,

Der Pracht soll Niedres sich und Hohes neigen.

 

Die Vögel singen, Wasser rauschen, hallen

Gebirg’ und Wald, mein Auge dringt zum Dunkeln;

Geblendet, trunken, kommt mir Dank von allen:

 

Ein kühler Tau soll ihre Inbrunst lindern;

Wie Wald, Strom, Tal und Berg von Pracht erfunkeln,

Blüht doch mein Bild nur in den Blumenkindern!

 

 

Der Jüngling

 

O Wald, was sagst du? welch ein süßes Blicken

Von Blumen will mein Leben in sich ziehen?

Wasser, steht still, mich dünkt, es will entfliehen

Ein Wort in eurem Strom, mich zu beglücken.

 

Sonne, du willst mir Licht hernieder schicken,

Die Farben, die im Grün erlöschend nur kann glühen, -

Wozu Gesang, Strom, Licht und Blumenpflücken?

 

Wie tiefe Nächte dehnt es sich im Innern,

Wie Morgenrot will es die Nacht verschlingen,

Wie milder Abend fließen müde Scheine.

 

Uneinig trennt sich Alles im Vereine:

Wie alle Kräfte zur Besinnung ringen,

Kann ich nicht, was ich bin, mich selbst erinnern.

 

 

Der Jüngling

 

Vernehm’ ich nicht die allgewalt’gen Schwingen,

Die der Natur erhabner Geist bewegt,

Und wie er Berg, Wald, Luft und Ströme schlägt,

Die Harf’ im dunkeln Heiligtum erklingen?

 

Aus Wollustdämmrung will ein Bild sich ringen,

Das in der tiefsten Brust mein Geist gehegt,

Und wie es Haupt und Glieder wachsend regt,

Muß es in Schmerz und Lust zum Tag’ hindringen.

 

               Die Jungfrau tritt aus dem Walde

 

Sie nah’t, von der die Blumen mir gesprochen,

In der des Lichtes Lieblichkeit erglänzt,

Aus deren Aug’ ein selig Dunkel blickt:

 

Nun ist mein Herz als Frühling aufgebrochen,

Und jeder Sinn ist dicht mit Wonn’ umkränzt,

mein bist du, Himmel! denn ich bin entzückt.

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Der Dichter

1773 – 1853

Wie sehnsuchtsvoll fühlt sich mein Herz gezogen,

Dem frischen grünen Walde zugelenket,

Von Bächen wird das neue Gras getränket,

Die Blumen schauen sich in klaren Wogen.

 

Ein blau Krystall erscheint der Himmelsbogen,

Zur blühenden Erde liebend hergesenket,

Die Sonne zeigt, daß sie der Welt gedenketm,

Sie hat die Blumen küssend aufgesogen.

 

Die Pflanzen glänzen, Wasserwogen lachen,

Die muntern Tiere regen sich in Sprüngen,

Der Vogel singt, vom grünen Zweig umrauschet.

 

Wenn Tiere, Wasser, Blumen, Flur’ erwachen,

Läßt höher noch der Mensch die Stimm’ erklingen,

Der Dichter fühlt von Gottheit sich berauschet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An Stella, im Herbst 1813

1773 – 1853

Wir hatten Freiheit, Vaterland verloren,

Dahin der deutsche Sinn, die höchsten Rechte,

Dem fremden Wahn gehorchten Fürsten, Knechte,

Die Bessern schalt der Lug Verräter, Toren:

 

Da ward aus Nacht ein schöner Tag geboren,

Der Himmel sprach zum zagenden Geschlechte,

Er selber kämpft in jeglichem Gefechte,

Des Heilgen Sieg hat Schar für Schar beschworen.

 

Nur in Gebeten kämpfen schwache Frauen

Zu Seiten ihrer tapfern Brüderschaaren,

Sie nach dem Sieg mit Eichengrün zu kränzen.

 

Wohl sind Gestirne, die ermunternd glänzen,

Die deutschen Mädchen, die dem Schönen, Wahren,

Die unserm Heil so groß, wie du, vertrauen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An Ernst v. Malsburg

1773 – 1853                                        zu seiner Übersetzung des Calderon

 

Wie sich der Schiffer freut in fernen Zonen,

Wenn über Ceylons Grün die Düfte grüßen,

Die Wunder-Melodien das Ohr ihm küssen,

Dort, wo die Weisheit und die Märchen wohnen:

 

So prangte, blumgeschmückt, in Demantkronen,

Geringelt Goldhaar bis zu lichten Füßen

Weisheit und Märchen, Zauber spielte süßen

Gesang und Duft, al wir ihn, Calderonen,

 

Zuerst entzückt in seiner Glorie schauten. –

Gegrüßt, ihr Schifferhelden! die so fernen

Gestaden zugeeilt, den deutschen Zungen

 

Liebreiz zu fahn, des Wohllauts ihr Vertrauten!

Der dritte Freund kehrt heim mit günst’gen Sternen,

Heil! jauchzt ihm zu, dem so die Fahrt gelungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An Gräfin Julie von Egloffstein

1773 – 1853

Sehn wir hinauf zu hoher Vorzeit Tagen,

Und scheint uns an der Blick von edlen Geistern,

So zittern wir in Ohnmacht vor den Meistern,

Und unser kühnster Wille wird Verzagen.

 

Wer will auch Kampf mit Götterliebling wagen?

Der Hohn der Welt folgt also frechem Traume,

Den, der des Wahns nur naht dem Kleidessaume,

Hat schon der Name Rafael geschlagen. –

 

Doch jeder darf nach Lieb’ und Wahrheit fragen,

Noch immer treibt das Licht die Blumenfelder,

Noch tönt das heil’ge Meer, rauschen die Wälder

Wie Lyraklang und alte Wundersagen.

 

So lange wiederkehrt des Frühlings Glänzen,

Geh, Schüler, hoffend aus nach Blumenkränzen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Zum neuen Jahr 1826

1773 – 1853

Melpomene

 

Wie wann des Äthers Stürme hochher dringen,

Und durch Gebirge Geisterstimmen hallen,

Der Wolken Dunstgestalten fliehn und wallen,

Und Bäum’ und Wald harmonisch dann erklingen:

 

So Leid und Schmerz, wie sie gestaltlos ringen,

Die Klagen ungestüm und wild erschallen, -

Ertönen sie in meinen Feierhallen,

Erhebt sich Angst und Not auf Geisterschwingen.

 

Mein Wort erklingt, und Götter steigen nieder,

Der Tod zerbricht, besiegt nicht Heldenherzen,

Verzweiflung flieht, die Angst erlischt, und stiller

 

Und göttlicher der Klagelaut der Lieder

Zum Leben Tod verklärt, zur Lust die Schmerzen, -

So rauscht dein hoher Heldensang, mein Schiller.

 

 

Erato

 

Ein süßes Tonnetz wird von mir gewoben,

Ein Teppich, schön von hell und dunkeln Farben;

Da zucken Licht und Blitz in sprüh’nden Garben,

Und Lust und Klang erfunkelt unten, oben.

 

Wie auch die Donner, Wasserfälle toben,

Wie Zorn und Schmerz in Schrei und Seufzern starben,

Die Grazien sind es, die die Töne warben,

So ward das Wundernetz empor gehoben.

 

Wie edle große Namen glänzen golden

Im deutschen Lied: die zarten Sinne lauschen,

Wenn Mozart, Gluck, der hohen Kunst Beleber,

 

Einhergehn in dem Waffenschmuck des holden

Gesangs! auch ihn verkündet heilig Rauschen,

Der mir ein Goldnetz wob, Maria Weber.

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Liebesverzweiflung

1773 – 1853

Ihr hohen Bäume, heil’ge dunkle Gänge,

Wie blickt ihr ernst und groß auf mich darnieder,

Das singt Sirene wieder ihre Lieder,

Die Nachtigall läßt schallen die Gesänge.

 

Wie dringen durch mein Herz die süßen Klänge!

Da fühl’ ich nun die Feuerflammen wieder,

Ich kann mich nicht erwehren, daß die Hyder

Nicht hin zu meinen Eingeweiden dränge.

 

Mich lockt der Klang, doch seh ich die Gebeine

Am nackten Felsenufer weiß erschimmern,

Die vor mir ihr Verderben liebend fanden.

 

So wank’ ich fort im goldnen Mondenscheine,

Indes die Sterne freundlich oben flimmern,

Will ich auch gern an diesem Felsen stranden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Sonette aus “Alma”

1773 – 1853

 

Wenn vor dem Schlaf in tiefer Nacht zum Beten

Mein Herz inbrünstig kehrt, ein heiliges Weinen

Sich sehnet nach den stillen Todesstätten,

Nahn Engel, die mit mildem Licht erscheinen.

 

Wie ich den Blick versteh, muß vor mich treten

Dein holdes Bild, dein süßes Blicken, meinen

Tränen du lächelst, mir ist als umwehten

Mich Himmelsdüft’ in Paradieseshainen.

 

Schlummernd streck’ ich die Händ in schöner Trauer,

Im Herzen bist du, quillst aus allen Tränen,

Nun wollen Arme dich und Busen fassen;

 

Du weichst mit stillem Wink wie Nebelschauer:

Stets blieb des Lebens Schönstes mir ein Wähnen,

Es zog hinweg, hat einsam mich gelassen.

 

 

O schönster Zweig von allen grünen Zweigen!

Du Myrtenreis, wie ich dich vor mir sehe,

Flieht vor dem stillen Grün mein Leid und Wehe,

Und Wonneschau’r in meine Seele steigen.

 

Mein bist du jetzt; als du noch dorten eigen

Der reinsten Brust, war mir der Fittig wehn

Des Lenzes schon, es schwebt in deiner Nähe

Ein Herz, es will ein Kreuz sich dunkel zeigen.

 

Wie schlang das kleine Herz sich an die Myrte,

Als wollten sie liebkosen sich in Küssen,

Als wenn ein Täubchen um ein Blümlein girrte;

 

Ach, Kreuz, gedrückt von dir wurden zerrissen

Die zarten Blätter: jetzges, künftges Weinen,

Mein Glück, mein Leid sah’ ich mir so erscheinen.

 

 

Andacht, ein ewges, innges Angedenken,

Anfang ist es vom lieblichsten Empfinden,

Aufschweben zu sich, um sich selbst zu finden,

Allmächtiges Streben sich in sich zu senken.

 

Liebe muß aus dem luftgen Duft sich lenken,

Leben recht lind in Liebe ganz verschwinden,

Lichtheilig sich der Leib dem Geist verbinden,

Leid naht, lebendge Herzen uns zu schenken.

 

Minne, so sangen, die das Höchste meinen,

Mild’ innig Sinnen, Lust an Schmerz und Wunde,

Myrt’ und Zypress’ und Rosen sah’ ich scheinen,

 

Anfang und End’ im süßgeschmückten Bunde,

Der reinsten Anmut Licht, der Minne Allmacht,

Aussprechen konnt’ ich nun den Namen Alma.

 

 

„Dich lieb’ ich stets“, sang deine süße Stimme,

Und mit dem Wort gabst du ein lieblich Blicken,

Das fiel in’s durstge Herz, labend Erquicken,

Als wenn im Dunkel Morgenröte glimme.

 

Ja dich nur lieb’ ich stets, auch wenn im Grimme

Mir Leid, Weh, Not das Leben noch will schicken,

Die Worte sing’ ich laut noch mit Entzücken

Wenn ich den dunkeln Fluß hinunter schwimme.

 

So tönte Orpheus Laute in den Wogen

Und widerklang das tiefe Bett des  Flusses,

Die Ufer sangen nach die herben Schmerzen.

 

Wenn schon der Tod gespannt den finstern Bogen,

Denk’ ich des Blicks, des Klangs, des süßen Kusses,

Und singe leis’: Du blühst mir noch im Herzen.

 

 

Tränen, ihr lichtbeschwingten Wunderkinder,

Ihr heilgen Boten, die aus dunkeln Schachten,

Zu denen keine Strahlen Zeugnis brachten,

Durch unerforschte Wege mit gelinder

 

Gewalt hinbrechen: wann das Herz in blinder

Verhüllung klagte, Sinnen nicht mehr dachten,

Und Glaub’ und Hoffnung nur als Traum verlachten,

Das Leben starb, und Lieb und Andacht minder

 

Schon leuchten, fast erlischt der letzte Schimmer:

Dann blickt aus ferner Wüst’ ein alt Erinnern,

Und selge Rührung winkt, ein schmelzend Sehnen

 

Wächst nah und näher: plötzlich durch die Trümmer

Bricht wie ein Blitz durch jede Kraft des Innern

Der Liebesgruß und glänzt in Sieger-Tränen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Aus “Kunst und Liebe”

1773 – 1853

So war es denn verhängt, daß immer Freuden

Nur sollten mit den Leiden wechselnd kommen,

Das Gute mit dem Bösen stets verschwommen,

Und Freud’ und Leid keins dauerte von beiden.

 

Du mußtest, ach! o Vielgeliebter, scheiden,

Als ich von allem Leiden ward entnommen,

Als endlich Trauer Abschied nun genommen,

Da mußte Liebe sich in Trauer kleiden.

 

Was ich so lang begehrt, ward nun erfüllet,

Die Liebste mir auf immerdar verbunden,

Gestillt, erfüllt mein lang inbrünstges Sehnen.

 

So sei denn nun, Verhängnis auch gestillet,

Laß mich nicht Wonne zahlen mehr mit Wunden,

Nur harre Glück, sei mehr als eitles Wähnen!

 

Kommt Freunde denn, es soll die Fahrt beginnen,

Die Segel schwellen und das Meer ist eben,

Seid unbesorgt, wenn unten Wolken schweben,

Der Nebel muß im Sonnenschein zerrinnen.

 

Das Land fliegt fort, nach kurzer Frist gewinnen

Wir Heimat, neue Freunde, muntres Streben

Muß gegenseitig uns im Sturm beleben,

Wer einmal auf der Flut, kann nicht von hinnen.

 

Vertraut euch selbst, vertraut dem edlen Mute,

Schon singen fremde Vögel: seid willkommen!

Schon grüßen uns süßtönende Gesänge.

 

Es jauchzt die Woge unter uns, sie flute

Empor! So ist Columbus hingeschwommen

Fand Land und stand voll Mut im Flut-Gedränge.

 

 

Der Irrtum sinket unter mit den Jahren,

Manch Mißverständnis sah ich schon zerfließen,

Die Wahrheit will mich nah und näher grüßen;

O möchte sie mich immerdar bewahren!

 

Es wimmeln um uns in verworrnen Scharen

Des Lebens Klänge, was uns mag verdrießen

Soll innere Musik uns hold versüßen;

O möcht’ ich stets des Wohllauts Kraft erfahren!

 

Noch will mir nicht die Melodie genügen,

Es ist als fehlen mir noch Harmonien

Auf’s innigste das Leben zu versöhnen;

 

ich ahnde was den Mißklang wird besiegen,

Das ist es, wonach alle Wünsche ziehen,

Dem Tode zu des tiefe ewge Sehnen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Dem R. G. v. Finkenstein

1773 – 1853

Dem Pflanzen, Baum und Strauch willig entsprießen,

Aus öder Wildnis ein befreundet Leben,

Anmutige Einsamkeiten grün sich heben,

Dankbar sein stilles Leben zu versüßen;

 

Wem von der Lippe hold melodisch fließen

Der Vorzeit Lieder, die sich gern ergeben

den neuen Tönen neu sich zu beleben:

Ihn sollen diese deutschen Lieder grüßen.

 

Gütig empfängt, was von den schönen Fluren,

Wald, Blumen, Freude, Frühling, edler Minne

Die edlen Dichter deutscher Zeit verkündet,

 

Der selbst erkennt die Schöne der Naturen,

Und was Dichtkunst mit lieblich ernstem Sinne

Ausspricht, in eigenem Gemüthe findet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An Wilhelm und Felix Bernhardi

1773 – 1853

Gram Schmerzen Arbeit füllen unser Leben

Wie unser Sein aus gleichem Keim entsprossen

Ward gleiches Weh’ durch unser Herz ergossen

In Klag in Lieb’ im herbem Leid zu beben

 

Ein himmlisch Bild sahn wir herniederschweben

Ein glänzend Tor ward rauschend aufgeschlossen

Und eine Blum’ im Paradiese entsprossen

In unsre Händ’ als Kinder schon gegeben

 

Vom Himmelsduft ward unsre Seele trunken

Und blieb fortan vom holden wahn bemeistert

Wie streng uns oft gemeiner Sinn auch tadelt

 

Da Poesie der Kinder Herz geadelt

So leb’ in uns die uns so früh begeistert

Bis unser Sein in stiller Nacht versunken

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Galatea

1773 – 1853

Wie blauer Himmel glänzt auf Tales Grüne!

Ein heller Strom fleußt lieblich auf und nieder,

Vom Berg und Wald verdeckt, erscheint er wieder,

Und spiegelt klar der Landschaft bunte Bühne.

 

Wer ist die Blonde dort mit sitt’ger Miene?

Wie tönen süß die Leid- und Liebes-Lieder!

Mit ihren Herden nah’n die Hirtenbrüder,

Und jeder zeigt, wie er der Holden diene.

 

O Lust und Klang! o linde Ätherlüfte!

Im zarten Sinn sinnreich bescheidner Liebe

So Himmlisches, doch Kindlichem Verwandtes!

 

Fremd wären uns die feinsten Blumendüfte,

Wenn Galatea nicht sie uns beschriebe,

Die göttliche des göttlichsten Cervantes.

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Golo (liest)

1773 – 1853

„Du willst es, mein Gemahl, ich soll nun sterben,

Ein schlimmer Argwohn hat dein Herz umzogen,

Doch hat ein böser Mann dich arg betrogen,

Mit mir zugleich erwürgst du deinen Erben.

 

Ich seh’ vor meinem Blick den Tod, den herben,

Ich lüge nicht und habe nie gelogen,

Du liebst mich nicht, doch bin ich dir gewogen,

Lüg’ ich, so straf’ mich ewiges Verderben.

 

Ich will mit diesen Zeilen Abschied nehmen,

Schwer sündigst du, doch will ich dir vergeben,

Glaub’ mir, daß ich dich immer herzlich liebte.

 

Verlassen, wirst du bald nach mir dich grämen

Und fühlen, daß ich dir verlor mein Leben,

Weil ich dir treu nie keine Unthat übte.

 

                                                              Genoveva.“